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Frühes künstlerisches Vorbild Horst Janssen (Künstlerportrait Teil 2)

Claudia Brasse • 20. Februar 2024

Horst Janssen - ein Künstlerportrait in zwei Teilen

Horst Janssen (1929-1995), der begnadete Zeichner und Grafiker, Aquarell- und Druckgrafik-Künstler hat mich früh beeindruckt. Seine Kunst begeistert mich noch heute und sein Einfluss auf meine Arbeit ist vielleicht subtil aber sicher vorhanden. Ich gehe dem hier in zwei Teilen eines Künstlerportraits nach.

Teil 2: Frühes künstlerisches Vorbild Horst Janssen

1. Meine Entdeckung Horst Janssens und erste Eindrücke

2. Erste Schritte: Lernen durch Nachahmung

3. Von Technik begeistert, später vom Gesamtkunstwerk Janssen fasziniert

4. Drei Dinge an Horst Janssen, die ich mir zum Vorbild nehmen mag

5. Noch immer finde ich Inspiration in Janssens Kunst

6. Gemeinsamkeit im ständigen Hinterfragen

7. Literatur


Bilder aus meinem Skizzenbuch. „Kopien“ nach Horst Janssen - Lernen durch Nachahmen.

Aus meinem Skizzenbuch. Muschel nach Horst Janssen. Das Schöne im Einfachen sehen.

Ich habe schon immer gern gemalt und gezeichnet. Ich hatte es nur lange Zeit vergessen.


Ein möglicher Schlüsselmoment in meiner Kindheit war dieser:

Ich hörte früher wieder und wieder die Geschichte vom Malwettbewerb in einem Kaufhaus, an dem ich während eines Stadtbummels mit meiner Oma einmal teilgenommen habe. Es muss langweilig für sie geworden sein, denn ich habe dort sehr viel Zeit verbracht. Ich war völlig versunken in mein Bild von einem Fisch mit vielen bunten Schuppen und habe alles um mich herum vergessen.


Nicht so entscheidend war wohl hingegen der Preis, den ich dafür gewann: ich habe das Hinterglasmalerei Bild nie ausgemalt.


Später hat mich Horst Janssen beeinflusst und wohl auch geprägt – bewusst oder unbewusst. Ich bewundere seine Kunst und sein Leben und er als Mensch faszinieren mich. Das beschreibe ich in Teil 1 dieses Künstlerportraits. Hier in Teil 2 beschreibe ich seinen Einfluss auf mich.

 

1. Meine Entdeckung Horst Janssens und erste Eindrücke

Als Jugendliche kam ich mit Horst Janssen in Berührung durch eine Freundin meiner Mutter. Sie zeichnete selbst gern, interessierte sich für Kunst und arbeitete in einem Verlag, der auch Kunstbücher verlegte. Wir besuchten Ausstellungen und seine Zeichnungen und Radierungen hielten irgendwann Einzug in unserem Haushalt als Kalender und Kunstdrucke. Noch heute hängt eines seiner unzähligen Bilder verwelkender Blüten an der Wand. Auch in meiner Studentenwohnung begleiteten mich Zeichnungen und Radierungen von Horst Janssen an den Wänden.

 

2. Erste Schritte: Lernen durch Nachahmung

Bevor ich im Kunstkurs ein paar Regeln beigebracht bekam, versuchte ich schon Zeichnungen und Stil von Horst Janssen zu imitieren und brachte mir dadurch einiges selbst bei.


Vermutlich haben seine Zeichnungen und grafischen Arbeiten meinen Geschmack schon früh sehr nachhaltig geprägt. Ich habe sie damals nicht nur eingehend studiert, sondern auch später eine Biografie über ihn gelesen, die mir geholfen hat zu verstehen, was ich wirklich sehe, wenn ich seine Kunst betrachte. Obwohl es mir erst heute bewusst wird, welche Bedeutung das für mich hat, liegt meine erste Erfahrung vermutlich schon sehr weit zurück: dem Warum nachzugehen, der Einheit aus Künstler, Leben, Erfahrungen und Ausdruck näher zu kommen, eine Verbindung finden.

 

Eine Verbindung finden – das macht Kunst erleben für mich aus.

Bilder aus meinem Skizzenbuch. „Kopien“ nach Horst Janssen - Lernen durch Nachahmen. Das hat er im Übrigen auch gemacht und viele Anlehnungen nach berühmten Werken gezeichnet.

3. Von Technik begeistert, später vom Gesamtkunstwerk Janssen fasziniert

Was wusste ich als Jugendliche vom Leben? Was von der Liebe, vom Älterwerden oder vom Leiden am Leben oder an der Gesellschaft?

 

Und doch. Irgendwas hat mich fasziniert und gefesselt. Manches hat mich verstört. Und einiges konnte ich gar nicht verstehen. Was ich aber kannte, war die oft düstere norddeutsche Landschaft mit ihrer unendlichen Weite, windgepeitschten knorrigen Krüppelweiden. Horst Janssens Farben waren authentisch. Der morbide Charme verwelkender Blumen und toter Tiere fesselte mich, und die Charakterisierung von Menschen aus seiner Umgebung hat mich in ihrer Echtheit erreicht. Er konnte Schönheit nahbar machen und Hässlichkeit in seiner unmittelbaren Interpretation liebenswert.



Horst Janssens Zeichnungen machten für mich Schönheit nahbar und Hässlichkeit liebenswert.

Durch einen sicheren, ganz einzigartigen Strich bekamen seine Zeichnungen eine Leichtigkeit, die vom geschickten Spiel mit Licht und Schatten unterstützt wurde. Genauso konnte er damit Drama erzeugen. Seine durch Experimente entwickelte Misch-Technik aus Tusche, Bleistift und Buntstift, oder sein virtuoses Spiel auf der Klaviatur der Drucktechniken machte seine Arbeit unverkennbar. Seine Liebe zu Details und seine geduldige Perfektion setzte er geschickt ein, ohne die Komposition zu vernachlässigen. So wirken die Arbeiten nicht überladen. Sie laden einen ein, darin spazieren zu gehen und immer wieder neues zu entdecken.


Manche Details, witzige und ernste Anspielungen oder zeitgeistigen Anregungen erschließen sich mir erst heute, sehr viel später und mit einem eigenen Erfahrungsreichtum und Wissensschatz über gesellschaftliche und politische Entwicklungen und meinem eigenen Bezug zum Werden und Vergehen, zu Mitmenschlichkeit und zum Leben.


Ich finde noch immer neue Details, teilweise versteckt, teilweise so offensichtlich, dass man sie übersehen kann. Die Vergänglichkeit ist eines seiner häufigsten Motive, die Fratze des Todes ist allgegenwärtig in Janssens Werk. Manches ist verstörend. Und doch findet sich so oft die Schönheit im Banalen.

4. Drei Dinge an Horst Janssen, die ich mir zum Vorbild nehmen mag

Technik

  • Seine technischen Fertigkeiten, seine Virtuosität im Umgang mit Material, das Grenzen überschreiten, seine Hingabe an die Tätigkeit an sich.


Ausdruckskraft

  • Seine Liebe zum Gesicht, einen empathischen und persönlichen Zugang. Ich erkenne eine tiefe Menschlichkeit, die besonders in seinen Portraits zum Ausdruck kommt. Seine Werke sind komplex und schön; sie haben eine Seele.



Hintersinn als Stilmittel

  • Ich fühle mich berührt von Widersprüchen, Provokation und Ironie.


Mich fasziniert: Janssens Bedingungslosigkeit und Hingabe.

5. Noch immer finde ich Inspiration in Janssens Kunst

Was kann ich mir heute abgucken von Horst Janssen? Den Versuch der Kopie lasse ich hinter mir. Aber „wie ein Künstler stehlen“ bedeutet, Ehrerbietung und Wertschätzung zu zollen. *


Jetzt, in Retrospektion, wird mir bewusst, welche Bedeutung die Merkmale der Kunst von Horst Janssen für meine eigene Arbeit haben. Folgende Punkte sind mir sehr wichtig, in denen ich eine Verbindung erkennen kann:

  • Einfach nur schön genügt mir oft nicht – mir geht es um „etwas dahinter“. Etwas, das vielleicht schwer zu fassen ist, aber einen stutzen und vielleicht nachforschen lässt. Manchmal subtil, manchmal deutlich. Das darf etwas Tiefes sein, etwas Irritierendes, etwas Hässliches, Verstörendes, Abstoßendes.
  • Ästhetisch schön mag ich sehr. Trotz alledem. Wenn mir beides gelingt, bin ich besonders glücklich.
  • Ich bin beständig auf der Suche nach Klarheit, Reinheit, Echtem, Ehrlichkeit.
  • Ich strebe danach, einen Charakter in seinen Facetten und in seiner Menschlichkeit zu erfassen.
  • In jedem Bild ist ein Teil von mir. Ich übersetze Erinnerungen, Erfahrungen, meine Assoziationen und Gedanken und einen Teil meiner Innenwelt ins Bildnerische.
  • Der kreative Umgang mit Materialien, das Herausfordern von Chemie und Physik, das Experimentieren – das reizt mich enorm und gibt mir Energie. Es steht meistens am Beginn meiner Malerei.
  • Ich mag es, wenn die Gesamt- und Detailwirkung gleichermaßen interessant ist. Wenn die Technik ein wenig geheimnisvoll bleibt, man sich vielleicht fragt, wie ein bestimmter Effekt entstanden ist oder welche Bildebene vor oder hinter einer anderen liegt.
  • Für die Perfektion fehlt mir oft die Geduld. Dennoch erkenne ich mehr und mehr, das Details einen enormen Wert haben für ein Bild und dass es sich lohnt. Ich werde daran arbeiten.



Nie aufhören zu suchen, zu hinterfragen, hinzuschauen.

6. Gemeinsamkeit im beständigen Hinterfragen

Bin ich besessen wie Horst Janssen? Nein, ganz sicher nicht. Nicht einmal annähernd. Bin ich beeindruckt? Auf jeden Fall. Und fasziniert.


Werde ich je seine Meisterschaft erlangen? Vermutlich nicht, nicht einmal, wenn ich nichts anderes mehr täte. Das Streben nach Perfektion ist mir durchaus vertraut. Heute weiß ich jedoch: Perfektion gibt es nicht. Das Streben danach ist frustrierend und lässt einen immer unbefriedigt und oft ausgebrannt zurück. Das Unperfekte hat vielmehr seinen Charme und so suche ich heute in allem den „Riss“ wie im Japanischen Kintsugi, liebe Patina und auch Widersprüche, Brüche, offene Fragen. Wie eigentlich schon seit Langem, nur dass ich sie nicht mehr alle beantworten möchte…



Für mich liegt die Perfektion im Unvollkommenen.


Und da schließt sich der Kreis: Horst Janssen war sicher ein besessen Suchender, voller offener Fragen.


Welche Fragen beschäftigen dich? Was suchst du in der Kunst? Oder im Leben? Solche Gespräche interessieren mich und auch die Erfahrungen des Findens. Komm mich gern in meinem Atelier besuchen. Du bist herzlich willkommen und vielleicht beginnst du in meinen Bildern oder im Gespräch eine interessante Suche.


Aktuelle Termine und Veranstaltungen:

Aktuelle Termine

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Deine Neugier auf Horst Janssen ist geweckt? Dann lies hier Teil 1 des Künstlerportraits:


Teil 1: Horst Janssen - Magier der Linie


1.     Horst Janssen macht Eindruck

2.     Horst Janssen – Genie und Wahnsinn vereint

3.     Seine Motive: einerseits alltäglich und banal und andererseits aktuell und politisch

4.     Am Anfang war der Strich

5.     Sein Vermächtnis und Aktualität heute

6.     Literatur zum Weiterlesen



zu Teil 1


*

Nach Austin Kleon – “Steal like an artist”: The author cautions that he does not mean 'steal' as in plagiarise, skim or rip off — but study, credit, remix, mash up and transform. Creative work builds on what came before, and thus nothing is completely original. https://en.wikipedia.org/wiki/Steal_Like_an_Artist


7. Literatur

  • „Ach, Liebste, flieg mir nicht weg: Briefe an Gesche, Horst Janssen, herausgegeben von Gesche Tietjens, Rowohlt Verlag, März 2004, ISBN 3 498 03221 6
  • Horst Janssen – Eine Biographie, Stefan Blessin, B.S. Lillo Verlag, 1998, ISBN 3 89757 000 9
  • Horst Janssen – Zeichnungen, Prestel Verlag 1996, erweiterte Auflage des Katalogs der Albertina Wien Ausstellung 1982, ISBN 3 7913 1693 1
  • Horst Janssen Retrospektive, St. Gertrude Verlag, 2000, ISBN 3 923848 89 7

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