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Vor Anker - angekommen und doch frei

Claudia Brasse • 30. Oktober 2023

Salz in der Luft und auf den Lippen, Meeresrauschen, Möwenkreischen, Wind in den Haaren, die Füße im Watt…

Das ist Heimat. Ein Gefühl von ankommen, vor Anker gehen.

… und auch Shantys und Seemannslieder, Fischbrötchen, Milchreis am Strand mit roter Grütze. Sandburgen bauen, Surfer beobachten, Muscheln sammeln und Drachen steigen lassen, Wattlaufen und Minigolf spielen—so vergingen die Tage wie im Flug. Das war mein Sommer als ich klein war. Natürlich waren es nur wenige Tage, maximal zwei Wochen in den Ferien. Dennoch: wie ich die restliche Zeit der Ferien verbracht habe, erinnere ich nicht richtig.



abstrakte Nordseelandschaft, Watt im Winter, braun, blau, schlamm

Die Nordsee ist ein Gefühl

Und noch heute befällt mich dieses Gefühl der Leichtigkeit und unbändigen Freude, wenn ich am Meer bin. Der Geruch und die Geräusche, die Farben und der Wind wecken nicht nur Erinnerungen, sondern erden mich auf ganz besondere Weise. Es fühlt sich an wie nach Hause kommen — an meine geliebte Nordsee.

Angekommen. Glücklich. Erfrischt.

So fühle ich mich an der Nordsee.

Als ich älter wurde, konnte ich auch Ostfriesentee in den gemütlichen Teestübchen genießen, ganz traditionell mit Kluntjes und Sahne. Wenn der Kachelofen bollerte und die Rauchfahnen aus dem Kamin des Reet-gedeckten Hauses aufstiegen, lockten die Wärme und Gemütlichkeit nach einem windigen Spaziergang auf dem Deich.


All dies repräsentiert für mich das Zwiebelmuster, dass sich in meinen Bildern findet—mal deutlich und mal ganz dezent.



Muster und Symbole verkörpern Gefühle, eine Sehnsucht

Vor Anker gehen zum Innehalten, Erinnern, Hin fühlen, Kraft tanken. Mir gibt das Bild des Ankers Halt, ohne mich festzuhalten. Ich kann ihn jederzeit wieder einholen, die Segel hissen und los geht’s, der Freiheit entgegen. Ich bin für den Moment angekommen und fühle mich doch frei.


Andere sehen darin den Ort, an dem sie sesshaft werden, einen sicheren Hafen, vielleicht den Hafen der Ehe. Ein Anker sichert den Platz des Schiffes, bietet Schutz vor Sturm auf hoher See, gilt als Symbol für Hoffnung und Zuversicht.


Der Anker ist auch ein gerne gewähltes Motiv für Tätowierungen: Für Liebende ist das Ankersymbol das Versprechen, sich zu binden und einander die Treue zu halten. Sie sehnen sich danach, einen Platz im Leben des anderen zu finden und dort vor Anker zu gehen.



Interpretationen des Ankers

Im Christentum und in der Bibel findet sich der Anker in zahlreichen Metaphern und wird für eindrucksvolle Bilder als Symbol verwendet:

  • Gottes Liebe gibt Halt und Kraft, bietet einen „sicheren und festen Anker der Seele“.
  • Unsere persönliche Verankerung bestimmt, was uns ausmacht, wie wir geprägt sind, woran wir glauben.
  • Die kreuzförmige Ankerform steht als Variante des Kreuzes als Sinnbild für den Tod Jesu Christi am Kreuz, woraus Hoffnung auf Vollendung des irdischen Lebens und die Auferstehung erwächst.
  • Das Ankersymbol steht für Beständigkeit und Treue, was erlaubt Ruhe zu bewahren angesichts tobender Gefühle, Zweifel und Irrfahrten sowie in Gott zu vertrauen, dass er uns zur Seite stehen wird, Hoffnung und Orientierung gibt.
  • Wer den Anker lichtet, löst sich aus der Sicherheit und bricht in Abenteuer mit ungewissem Ausgang auf, riskiert, verloren zu gehen.
  • Trauernde wünschen einem geliebten Menschen, dass er nach der Fahrt des Lebens am eigentlichen Ziel ankommt, bei Gott Geborgenheit findet.



Die Bedeutung von Symbolen

Der Anker kann für einen jeden also alles Mögliche bedeuten, je nach Situation und Bedürfnis. Symbole im Allgemeinen sind von großer Kraft. Im übergeordneten Sinne können Symbole dies:

  • Bedeutung vermitteln, schaffen
  • Assoziationen auslösen
  • Ein Gefühl hervorrufen
  • Eine Verbindung schaffen
  • Das Unterbewusstsein erreichen
  • Beruhigen, motivieren, an Vorsätze erinnern
  • Zum Manifestieren dienen, eine Absicht zu verfolgen, ein Ziel zu erreichen, etwas nachzueifern/ein Vorbild zu verehren
  • Die Fantasie anregen
  • Eine Geschichte erzählen

…all das kann auch Kunst!

Wo ist der Anker in meinen Bildern?

Tja, bisher noch nirgends.


Andererseits tragen viele meiner Bilder die Idee von „vor Anker – angekommen und doch frei“ in sich – im übertragenen Sinne.


Meine Kranich-Bilder sprechen davon, wenn Sie uns daran erinnern, dass Zugvögel temporär sesshaft sind und an denselben Ort Jahr für Jahr im Frühling zurückkehren und im Herbst wieder aufbrechen in wärmere Gefilde.


Wenn ich die Schafe ansehe, frage ich mich „träumen Sie wohl von der fremden, weiten Welt? Oder nur von der nächsten saftigen Wiese?“. Sie stehen im Wind und trotzen dem Wetter. Ihre Herde ist ihr zuhause und der Hirte ihr Bezugspunkt. Sie werden geschützt von den Hirtehunden. Ihre größte Bedrohung ist der Wolf. Auch ihn findest du in einigen Bildern wieder, leibhaftig oder nur als Idee oder Erinnerung, vielleicht dort, wo sich ein Schaf-Schädel findet…?


Von meinen „Männern mit Bärten“ hat jeder Seemann seine eigene Geschichte. Trägt er womöglich ein Anker Tattoo unter seinem Strickpullover? Fährt er noch zur See oder wurde er schon ausgemustert, wie sein Schoner? Oder ist er gar kein Seemann, nie einer gewesen?


Last but not least sind meine Stillleben voll von Symbolik. Welche Geschichte liest du daraus?

Wenn du Ausschau hältst, findest du auf meinen Bildern womöglich eines der folgenden Symbole. Und irgendwann sicher auch mal einen Anker…

Meine Symbol-Kollektion

  • Zwiebelmuster
  • Tattoo
  • Pfeife
  • Kerze
  • Totenschädel
  • Diverse andere Attribute und Devotionalien

...zum Beispiel in den Stillleben.


Fazit: der Anker ist eine kraftvolle Metapher, mit der viele Verbindungen möglich sind

Sie eignet sich als Klammer für meine Bilder mit Motiven, die ich zunächst alle mit meiner „geliebten Nordsee“ in Verbindung gebracht habe. Nun geht es sogar noch darüber hinaus. Eines haben sie zudem alle gemeinsam: diese Bilder sind meine Persönlichsten, indem sie von Kindheitserlebnissen inspiriert sind, von Sehnsuchtsorten und zu einem großen Teil von meiner eigenen künstlerischen Entwicklung, der sie über die letzten Jahre und bis hierhin Rechnung tragen. Ich habe manche mehrfach überarbeitet, während ich meinen Stil gefestigt habe. An ihnen bin ich gewachsen und habe gelernt. Ich habe Frustration überwunden und Entdeckungen gemacht, die mich begeistern. Ich habe Sicherheit gewonnen, meinen „künstlerischen Hafen“ vorerst gefunden. Womit wir wieder beim Anfang wären: Alpha und Omega – Anfang und Ende. Der Kreis schließt sich.



Kunst ist immer persönlich.


Wenn du noch weiterlesen möchtest, geht's hier zu den Geschichten der erwähnten Motive:


Seemänner im Bergischen Land? Über Archetypen und Bilder in unserem Kopf, die Geschichten im Gesicht des Seemanns und die hinter dem Portrait.


Der Kranich, der mir so viel bedeutet, weil ich ihm und seiner Symbolik mehrfach begegnet bin und er mich mit verschiedenen Themen verbindet. Außerdem findest du im Blogartikel über den Kranich und seine Bedeutung eine kleine Überraschung am Ende.


...und mehr über steife Brisen und weitere Geschichten vor, auf und hinterm Deich... demnächst hier.

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