Begegnungen sind das Salz in der Suppe, insbesondere auf Reisen. Wenn wir offen sind, alle Eindrücke aufsaugen und neugierig auf andere – oft fremde – Welten sind, bleiben Bilder im Kopf. Die Bilder, Geschichten, und besondere Begegnungen mit interessanten Menschen vergessen wir nie.
Wie ein verblichenes Polaroid
Manchmal sind es auch die Bilder von gewissen Typen. Outfits, Arbeitskleidung, Werkzeuge, Ihre Fahrzeuge… oder Boote, das zusammen wird als Archetypus abgespeichert. Darin steckt immer auch Zeitgeist. Es ranken sich manchmal sogar Mythen und Legenden um bestimmte Charaktere, die den Archetypus repräsentieren. Wir erzählen Anekdoten und Geschichten von anderen weiter oder von eigenen Begegnungen und Erlebnissen. So verbinden wir uns mit unserer eigenen Geschichte und unseren Erinnerungen. So verbinden wir uns mit den Menschen im Hier und Heute.
Seemänner aller Art - Matrose, Kapitän, Bootsjunge, Smutje, Offizier – sind Archetypen aus einer fast vergangenen Zeit. Ich wette, du hast ein ähnlich antiquiertes Bild vor Augen, dass durch Uniformen, Kleidung und Attribute bestimmt wird, die heute gar nicht mehr zwingend aktuell sind, obwohl es diese Berufe noch gibt. Sie haben sich weiterentwickelt, sind mit der Zeit gegangen.
Diese Archetypen genauso wie die Entwicklung der Charaktere und Menschen mit ihren Berufen, ihren Geschichten und den Bildern dazu, interessieren mich besonders. Dabei spricht mich an, was mir vertraut ist und auch wieder nicht, was mir heute begegnet oder irgendwann einmal, damals…
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Vor Anker -...
Ausstellung zu "Offene Ateliers 2023"
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...angekommen und doch frei
Seemänner, Hirten, Wattlandschaft, Stillleben
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Interessante Gesichter erzählen Geschichten
Wind und Wetter, Freud und Leid, Aussichten auf das, was kommt – das steht uns ins Gesicht geschrieben. Wettergegerbt ist so ein Ausdruck, den ich früher oft gehört habe, wenn es um Menschen ging, die einen großen Teil ihres Lebens draußen verbracht haben, der Sonne ausgesetzt waren. Vom Almöhi bis zum Seemann. Genauso grob wie die Gesichtszüge waren oft die Strickpullover, die sie trugen.
Das hat den Archetypus eines Seemanns oder Fischers für mich geprägt: Troyer, Pfeife, Mütze. Zugegeben, das klingt sehr vereinfacht und etwas altmodisch. Rauchen die immer noch Pfeife oder schon e-Zigaretten? Wurden Regennerz und Südwester von Funktionskleidung und Kappen abgelöst? Und stirbt nicht der Beruf langsam aus?
Technologie hat mehr und mehr das Handwerk vereinfacht und zum Teil ersetzt. Heute sind die Transportschiffe groß wie ganze Wohnquartiere oder Industrieareale und werden von Computern gesteuert. Die Meere sind überfischt und es gibt mehr und mehr Zuchtfischfarmen und kultivierte Meeresfrüchte.
Archetypen und Attribute verankern Bilder in der Zeit
Alles, was verschwindet, transformiert, technisiert wird, verklären wir romantisch in unseren Bildern, die wir davon zeichnen, ob real in Museumsdarstellungen, in Liedern, Geschichten oder mit zeichnerischen, malerischen Mitteln. Archetypen helfen uns bei der Einordnung. Attribute unterstützen die Interpretation. Unser Gehirn sucht immer und überall nach Mustern, die uns erleichtern, in Schubladen einzuordnen, was wir sehen.
Ich liebe es, Gesichter zu malen. Am liebsten Charakterköpfe, Typen, die Geschichten erzählen, wie z.B.
Seemänner. Ich nutze die Klischees und Archetypen. Und dann mag ich es, die Geschichten anzureichern mit Details, aufzubrechen mit leisen Widersprüchen. Ich möchte, dass man ein zweites Mal hinschaut, nachforscht, was dahinter liegen könnte. Wenn der Betrachter seine eigene Geschichte zum Bild entwickelt, wird es besonders interessant.
Das Bild schreibt seine eigene Geschichte
Meine Portraits tragen Namen, also keine Titel in dem Sinne. Ich erzähle eine Geschichte im Bild. Mit Farben, Ausdrücken, Attributen, grafischen Elementen.
Mein Malstil wählt vermutlich die Motive aus. Das ist ein ständiger Dialog zwischen Farbe und Komposition, der sich im Prozess auf der Leinwand entfaltet. Schicht um Schicht entwickelt ein Bild seine eigene Geschichte und das Motiv wähle ich erst später passend zu Farben und Gestus, der Bild-Stimmung entsprechend. Ich drehe die noch abstrakte Fläche in alle Richtungen und suche verschiedene Vorlagen aus. Irgendwann finde ich einen natürlichen Treffer. Bildträger und Motiv passen zusammen.
Kulturelle Einflüsse wirken
Meine Vorlagen sammle ich immer und überall. Manche habe ich schon viele Jahre bevor sie zum Einsatz kommen. Insofern stecken schon da eine Entwicklung und Geschichte mit in der Sammlung. Was hat mich angesprochen? Hat sich mein Geschmack verändert? Wie haben sich meine Interessen entwickelt?
Wenn ich gezielt Motive suche, steckt allein darin schon ein Archetypus. Indem ich Begriffe google finde ich Bilder, die die Fotografen benannt haben. So ist meiner Wahl von Ausschnitten aus Zeitungen oder Büchern eine Auswahl des Autors, Redakteurs oder Kurators vorausgegangen. So gesehen handelt es sich also immer auch um einen kulturellen Einfluss, dem ich unterliege. Die
Auswahl der Symbole, die ich ergänze, trägt sicher auch dazu bei.
Dann kombiniere ich die Elemente neu und schreibe damit meine eigene Geschichte zum Bild.
Wir nehmen uns stets mit. In allem, was wir sehen, sehen wir auch uns selbst.
Der Betrachter eines Bildes wiederum bringt seine eigene Kultur und Prägung in die Interpretation ein.
Deshalb finde ich es so spannend, mit Besuchern über meine Bilder zu sprechen und zu hören, was sie sehen. Magst auch du mir davon erzählen? Vielleicht tauschen wir unsere Geschichten aus, die wir in den Bildern finden und die, die dahinter verborgen liegen?
Ich freue mich auf den Dialog, wenn wir in Resonanz treten, Gemeinsamkeiten entdecken, Erinnerungen und Emotionen wieder entdecken, die Bilder auslösen können. Das ist es, was ich mit meiner Kunst verbinde und erreichen möchte: Resonanz.
Schreib mir doch eine
Nachricht und teile deine Gedanken mit mir. Danke schön! 😊
Seemänner im Bergischen Land? Die Antwort auf diese Frage
Vielleicht ahnst du es schon: In meiner eigenen Geschichte liegt die Antwort auf die Frage, mit der dieser Artikel beginnt. Wie kommen die Seemänner ins Bergische Land? Sie reisten mit mir.
Ich bin in Bremen geboren und aufgewachsen. Die Sommerferien verbrachte ich an der Nordsee. Dort habe ich Häfen und Schiffe besichtigt und Kurkonzerte besucht, wo „Matrosen“ in weiß-blau gestreiften Hemden mit Kordel am Ausschnitt und roten Nickitüchern um den Hals, mit Elbsegler auf dem Kopf und vielleicht noch einer Pfeife im Mundwinkel die Ziehharmonika spielten. Der Männerchor sang Shanties und Seemannslieder. Oma schunkelte sanft zur Melodie, die von der Muschel-förmigen Bühne ins Publikum geschmettert wurde.
Noch heute fahre ich gerne ans Meer und an unsere Küsten im Norden. Dort finde ich manche Bilder von früher wieder. Manche haben sich verändert. Meine Malerei verbindet mich mit mir selbst und meinen Erinnerungen. Ich spüre den Wind, rieche das Meer, sehe meine Oma und mich als Kind, das Schlickburgen baut im Watt oder den Drachen steigen lässt. An der Nordsee kann ich kurz vor Anker gehen und fühle mich
angekommen und frei zugleich.
Heute lebe ich in Köln und arbeite in meinem „Labor der Malerin“ im Bergischen Land. Dort übersetze ich die Bilder in meinem Kopf und meine Gefühle auf die Leinwand. So finden sich die Motive, die mich inspirieren und begleiten, in meiner Malerei wieder. Dieses Thema der Seemänner, verschiedene Attribute der Seefahrt, und auch Schafe, Kraniche und das Zwiebelmuster werden mich sicher noch lange begleiten und mir erlauben, Verbindungen herzustellen.
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Portraits mit ihren Geschichten findest du direkt in der Galerie Resonanz.