Role-Model nur vor der Kamera?
Als ich überlege, ein Audrey Hepburn Portrait zu malen, ist mein erster Impuls, auf die Attribute Perlenkette, Zigarettenspitze und große Sonnenbrille zu setzen. Vielleicht auch noch auf den roten Lippenstift, das kleine Schwarze und einen großen Hut. Damit war sie Stil-prägend und wäre leicht wieder erkennbar. Andererseits wäre das mainstream. Das finde ich öde. Was mich wirklich interessiert an einem Gesicht ist in der Regel nicht allein die schöne Fassade.
Mich faszinieren Gesichter die Geschichten erzählen
Ich möchte mehr als eine hübsche Fassade abbilden. Egal, ob wir ein bekanntes Gesicht anschauen oder ein fremdes: wir sehen immer, was WIR sehen. WIE wir sehen, wird durch unsere Erfahrungen geprägt, durch alle Bilder und Interpretationen unseres Lebens. Dass unser Sehen auch manipuliert wird, ist Kulturgeschichte. Wenn zwei das gleiche betrachten, sieht dennoch jeder etwas anderes.
Hübsch ist kein Ausschlusskriterium für mich. Wenn ich ein Motiv wähle, löst es etwas in mir aus. Wenn ich ein Portrait male, möchte ich, dass es eine Reaktion, ein Gefühl beim Betrachter auslöst. Wenn meine Portraits Emotionen transportieren und meine Leidenschaft ausdrücken, wenn sie mit dem Betrachter in Resonanz gehen, dann entsteht eine Verbindung.
Ich male Persönlichkeiten. Ich möchte einen Charakter erfassen, manchmal einen Archetypus und eine Stimmung. Letztlich wird mein Bild zu meiner Interpretation und Projektion einer Idee. Der Prozess der Entstehung verändert es immerzu und meine Intention kann sich dabei weiter entwickeln. Deshalb sind mir meine Vorlagen meist nicht bekannt. Authentizität ist mir wichtiger als Ähnlichkeit. Es geht mir um eine Geschichte.
Welche Geschichte verbirgt sich hinter der Ikone?
Ich forschte also nach Aufnahmen von Audrey Hepburn, die mehr als das Bild zeigen, welches die Medien von ihr geschaffen haben. Ich fand die melancholische oder nachdenkliche Audrey in Fotos aus späteren Jahren. Ihre Geschichte bestätigt mir, dass ihr Leben alles andere als leicht war. So war sie im Krieg unterernährt und konnte deshalb nicht die gewünschte Ballett-Karriere machen. Sie war schüchtern. Rein durch Zufall hat Colette sie entdeckt für ihr Broadway-Musical „Gigi“. Audrey‘s Herkunftsfamilie war zerrüttet und Fehlgeburten haben ihr privates Glück überschattet. Ihre Liebes-Beziehungen waren nicht von Dauer. Sie fand es jedoch wichtig, Beziehungen zu pflegen und nicht aufzugeben. Sie starb mit nur 63 Jahren an Krebs, vor 30 Jahren am 20.01.1993.
Eine Persönlichkeit jenseits des Glamours
Wofür sie neben ihrer Schönheit auch bekannt wurde, waren eine Reihe Zitate, die viel Humor erkennen lassen. Sie nahm sich nicht immer so ernst und war überaus klug: "Make-up can only make you look pretty on the outside but it doesn't help if you're ugly in the inside. Unless you eat the make-up." Audrey schien überaus praktisch veranlagt zu sein und ein großes Herz zu haben.
Was außerdem bleibt, ist ihr Engagement als UNICEF Botschafterin. Sie wusste ihre Stimme gut einzusetzen für Kinder in Not – und dies zu einer Zeit als influencer noch kein Beruf war. Berühmte Personen verwendeten ihren Einfluss für eine gute Sache. Als Vorbild hat sie auch Kollegen inspiriert, Gutes zu tun und Spenden zu sammeln.
Ich sehe die Schönheit hinter der Schönheit
In ihrem Gesicht als reife Frau sehe ich Melancholie und Humor, Würde und Grazie. Ich sehe eine schöne Frau: diese Schönheit leuchtet von innen. Dies alles über sie zu wissen, hat verändert, was ich sehe. Ich bekomme Lust, sie zu malen. Und so schließe ich mit ihren eigenen Worten: